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Vergaberecht: Erneute Teilnahme nach außerordentlicher Kündigung?

IBR-Online Werkstatt-Beitrag vom 11.09.2019

1. Trotz außer­or­dent­licher Kündigung ist der Auftrag­nehmer in der anschlie­ßenden Ausschreibung grund­sätzlich zur Teilnahme berechtigt.
2. Der Auftrag­nehmer kann aber wegen erheb­licher Organi­sa­tions-/Quali­täts­mängel gem. § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB ausge­schlossen werden.

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.02.2019 - 1 VK 51/18

GWB § 124 Abs. 1 Nr. 7, § 160 Abs. 2

Problem/Sachverhalt

Der Auftrag­geber (AG) hatte in einem vorhe­rigen Verfahren Reini­gungs­leis­tungen in zwei Losen europaweit ausge­schrieben. Diese umfassten sämtliche öffent­liche Gebäude einer Großen Kreis­stadt für die Dauer von drei Jahren mit einem Auftrags­vo­lumen von nahezu 2 Mio. Euro netto. In diesem Verga­be­ver­fahren erhielt der Bieter B auf seine Angebote in beiden Losen den Zuschlag. Von Beginn an zeigte sich, dass B jeden­falls mit der Organi­sation seiner Arbeiten völlig überfordert war. Auch die Reini­gungs­leis­tungen selbst, soweit sie überhaupt erbracht wurden, waren zum Teil mit erheb­lichen Mängeln behaftet. Nach zahlreichen Rügen des AG gegenüber B setzte der AG eine letzte Frist. Als diese Frist fruchtlos verstrichen war, wurde das Vertrags­ver­hältnis außer­or­dentlich gekündigt. Die gekün­digten Leistungen wurden an zwei nächst­beste Bieter für die Restlaufzeit von über zwei Jahren vergeben. Dagegen richtet sich der Antrag des B, die Verträge mit den neuen Vertrags­partnern der Lose - wegen De-facto-Vergabe - für unwirksam zu erklären.

Entscheidung

Die Verga­be­kammer sieht B als antrags­befugt an. Die Tatsache, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag vom AG außer­or­dentlich gekündigt wurde, lasse die Antrags­be­fugnis des B nicht entfallen. Die Anträge weist die Kammer im Ergebnis aber zurück, da sie den Nachprü­fungs­antrag für unbegründet hält. B habe keinen Anspruch darauf, dass der AG die Bestim­mungen über das Verga­be­ver­fahren einhält, da er wirksam von der weiteren Vergabe der Reini­gungs­dienst­leis­tungen ausge­schlossen wurde. Der AG habe ausrei­chend gewichtige Indiz­tat­sachen vorge­tragen, die in der Summe für die Wirksamkeit der außer­or­dent­lichen Kündigung sprechen. An diesem Ergebnis ändere sich auch nichts dadurch, dass der AG gegenüber B keinen ausdrück­lichen Ausschluss erklärt hat. Die Kammer stellt weiter fest, dass es - im Hinblick auf die außer­or­dent­liche Kündigung - grund­sätzlich keiner Begründung bedarf. § 125 GWB stehe dem Ausschluss des B nicht entgegen, da kein Nachweis erfolgt sei, dass konkrete technische, organi­sa­to­rische und perso­nelle Maßnahmen ergriffen wurden, die geeignet sind, weiteres Fehlver­halten zu vermeiden. Die Kammer ließ im Ergebnis offen, ob die Neuvergabe - wie erfolgt - recht­mäßig gem. § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV erfolgte. Sie hat aber deutlich gemacht, dass eine Interims­vergabe grund­sätzlich nur befristet erfolgen durfte. Da B auf diese Feststellung aber keinen Anspruch hatte, blieb ein entspre­chender Beschluss aus.

Praxis­hinweis

In allen Fällen von Dienst­leis­tungs­auf­trägen, bei denen das Vertrags­ver­hältnis - warum auch immer - nicht fortge­führt wird, kann zwar kurzfristig eine Interims­vergabe erfolgen, falls eine mehr oder weniger nahtlose Fortführung der Leistungen notwendig ist. Diese darf aber lediglich einen Zeitraum umfassen, der sicher­stellt, dass unver­züglich ein ordnungs­ge­mäßes Ausschrei­bungs­ver­fahren durch­ge­führt werden kann. Eine Übertragung der Restlaufzeit des unter­bro­chenen Vertrags im Wege der Interims­vergabe stellt, wenn der o. g. Zeitraum damit überschritten wird, letzt­endlich eine De-facto-Vergabe dar. In den Fällen einer außer­or­dent­lichen Kündigung ist sorgfältig zu dokumen­tieren, weshalb die Fortführung des Vertrags­ver­hält­nisses unzumutbar ist. Dabei sind alle Verstöße nach Inhalt und Gewicht festzu­halten und Nachweise zu sichern, da zumindest eine grobe Überprüfung der Recht­mä­ßigkeit/Wirksamkeit der Kündigung auch im Nachprüf­ver­fahren zu erfolgen hat.

RA und FA für Bau- und Archi­tek­ten­recht, FA für Verga­be­recht,
Ralf Schmitz, Heidelberg

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