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Leistungsreduzierung erzeugt Vergütungsanspruch – 3 Konstellationen

Ausgangsi­tuation: Entfall von Leistungs­po­si­tionen und Vergü­tungs­an­spruch

Nicht selten gelangen einzelne Leistungs­po­si­tionen eines nach Einheits­preisen abzurech­nenden Bauver­trages nicht zur Ausführung. Dieses kann unter­schied­liche Gründe haben. In diesem Beitrag sollen die 3 wichtigsten Konstel­la­tionen beleuchtet werden:

Zum einen kann sich im Rahmen der Bauaus­führung heraus­stellen, dass eine ursprünglich von den Vertrags­par­teien für erfor­derlich gehaltene Leistungs­po­si­tionen tatsächlich nicht erfor­derlich ist. Anderer­seits kommt eine Anordnung des Auftrag­gebers in Betracht, der dem Auftrag­nehmer – aus welchen Gründen auch immer – untersagt, bestimmte Leistungs­po­si­tionen auszu­führen. Zum Dritten können Leistungs­po­si­tionen entfallen, wenn die Vertrags­par­teien dieses einver­nehmlich verein­baren.

Alle vorge­nannten Konstel­la­tionen haben gemeinsam, dass hierdurch nicht zugleich der Anspruch des Auftrag­nehmers auf Vergütung für die entfal­lende Leistungs­po­si­tionen entfällt. Vielmehr hat der Auftrag­nehmer jeden­falls Anspruch auf (Teil-)Vergütung. Hier ist also für Auftrag­geber Vorsicht geboten!

1. Konstel­lation: Ersatzlos entfal­lende Leistungs­po­si­tionen aus tatsäch­lichen Gründen

Die Konstel­lation des vollstän­digen Entfalls von Leistungs­po­si­tionen, ohne dass die Vertrags­par­teien hierauf Einfluss nehmen, ist in der VOB/B nicht geregelt. Denn § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B greift diesen Fall nicht auf. Dieser regelt speziell ansonsten als Wegfall der Geschäfts­grundlage einzu­ord­nende Menge­n­än­de­rungen (BGH, Beschluss vom 23. März 2011 – VII ZR 216/08). Sie knüpft die Anpassung der Vergütung durch Erhöhung des Einheits­preises an die tatsächlich ausge­führte Menge. Das setzt voraus, dass überhaupt eine (Teil-)Leistung erbracht wird. Beträgt der Vordersatz für die abzurech­nende Menge demge­genüber „0“, erhält der Auftrag­nehmer nach der Syste­matik der Regelung keine Vergütung.

Die VOB/B ist insoweit folglich lückenhaft, weil ein erkennbar regelungs­be­dürf­tiger Fall keine Regelung gefunden hat.

Der Bundes­ge­richtshof hat die vormals umstrittene Frage nach der Lösung dieser Proble­matik dahin­gehend entschieden, dass in dem Fall, in dem der vollständige Wegfall der Mengen auf einem Sachverhalt beruht, der dem in § 2 Abs. 3 Abs. 3 VOB/B geregelten Fall der Äquiva­lenz­störung durch Mengen­min­derung entspricht, § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B dennoch – und zwar im Wege ergän­zender Auslegung – anzuwenden ist. Eine solche Äquiva­lenz­störung durch Mengen­min­derung kommt aber nur dann in Betracht, wenn sich die anfäng­liche Schätzung aus tatsäch­lichen Gründen nachträglich als unzutreffend erweist, weil die Ausführung einzelner Leistungs­po­si­tionen tatsächlich nicht erfor­derlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2012 – VII ZR 19/11).

Der Auftrag­nehmer erhält folglich für vollständig entfallene Leistungs­po­si­tionen (Nullpo­si­tionen) den auf diese entfal­lenden Anteil der Gemein­kosten und seines Gewinns. Für die Höhe dieser (Teil-)Vergütung ist der Auftrag­nehmer darle­gungs- und beweis­be­lastet. Der Auftrag­nehmer erhält in diesem Fall nur dann überhaupt keine Vergütung, wenn er durch Erhöhung der Mengen bei anderen Positionen oder in anderer Weise einen Ausgleich erhält. Zu ersterem zählen insbe­sondere die über 110 % liegenden Mehrmengen im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B, zu letzterem gehören zusätz­liche Vergü­tungs­an­sprüche für geänderte Leistungen nach § 2 Abs 5 VOB/B und für zusätz­liche Leistungen nach § 2 Abs. 6 VOB/B.

2. Konstel­lation: Anord­nungen des Auftrag­gebers (Urteil des OLG Hamm vom 5. Juli 2024 – 12 U 95/22)

Nimmt der Auftrag­geber demge­genüber nachträglich Einfluss auf den Entfall der Leistungs­po­si­tionen – sei es durch Anordnung, (Teil-)Kündigung oder Verzicht –, fällt dieses nicht (auch nicht entspre­chend) unter den Regelungs­gehalt von § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B. Denn die nachträg­liche Einfluss­nahme des Auftrag­gebers ist nicht mit dem Ungenau­ig­keits­risiko der der anfäng­lichen Schätzung innewoh­nenden Prognose vergleichbar. Hierin liegt folglich kein Fall, der der Äquiva­lenz­störung durch Mengen­min­derung im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B entspricht.

Für die Abrechnung solcher – nicht unter § 2 VOB/B – fallender Nullpo­si­tionen sind folglich die Grund­sätze der Teilkün­digung heran­zu­ziehen, sodass sich der Vergü­tungs­an­spruch des Auftrag­nehmers nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B richtet, der inhaltlich weitgehend § 648 S. 2 BGB entspricht. Denn diese Regelung der VOB/B verdrängt als spezi­ellere Regelung § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B (vgl. OLG Hamm vom 5. Juli 2024, a.a.O.).

Dem Auftrag­nehmer steht somit im Ausgangs­punkt die verein­barte Vergütung zu. Er muss sich jedoch anrechnen lassen, was er infolge der teilweisen Aufhebung des Vertrags an Kosten erspart oder durch ander­weitige Verwendung seiner Arbeits­kraft und Betriebs erwirbt oder zu erwerben böswillig unter­lässt.

Als erspart anzurechnen sind solche Aufwen­dungen, die der Auftrag­nehmer bei Ausführung des Vertrages hätte machen müssen und die er wegen der Kündigung nicht mehr machen muss. Dabei ist auf die Nicht­aus­führung des konkreten Vertrages abzustellen. Maßgebend sind folglich die Aufwen­dungen, die sich nach den vertrag­lichen Verein­ba­rungen unter Berück­sich­tigung der Kalku­lation ergeben. Bezüglich der Höhe der ersparten Aufwen­dungen trifft den Auftrag­nehmer eine Erstdar­le­gungslast, weil grund­sätzlich nur der Auftrag­nehmer in der Lage ist, diese darzu­legen und zu beziffern. Dazu muss der Auftrag­nehmer grund­sätzlich seine Kalku­lation offen­legen. Behauptet der Auftrag­geber abwei­chend zum Zahlenwerk des Auftrag­nehmers, dieser habe tatsächlich höhere Beträge erspart, so trägt hierfür der Auftrag­geber die weitere Darle­gungs- und Beweislast (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 27. August 2021 – I-22 U 267/20). Der neben dem Gewinn kalku­lierte Zuschlag für Wagnis ist Rahmen eines Einheits­preis­ver­trags nicht als ersparte Aufwendung in Abzug zu bringen (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2016 – VII ZR 201/15).

3. Konstel­lation: Einver­nehmlich verein­barter Entfall von Leistungs­po­si­tionen

Die 3. Konstel­lation, in der die Vertrags­par­teien den Entfall von Leistungs­po­si­tionen einver­nehmlich verein­baren, ist wie die vorste­hende 2. Konstel­lation zu beurteilen, sodass der Auftrag­nehmer auch hier grund­sätzlich Anspruch auf die volle Vergütung abzüglich ersparter Aufwen­dungen hat. Etwas anderes gilt aller­dings dann, wenn die Vertrags­par­teien zugleich eine Verein­barung über die Folgen dieses Entfalls treffen (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2018 – VII ZR 82/17).

Auswir­kungen in der Praxis

Die 3 Konstel­la­tionen zeigen, dass der Entfall einzelner Leistungs­po­si­tionen den Auftrag­geber unter Umständen teuer zu stehen kommen kann. Zwar obliegt dem Auftrag­nehmer jeweils die (Erst-)Darlegung entweder seines (Teil-)Vergü­tungs­an­spruchs oder der ersparten Aufwen­dungen. Profes­sionell arbei­tende Auftrag­nehmer unter­halten hierzu jedoch in der Regel eigenes Fachper­sonal oder lassen die Bezif­ferung durch externe, hierauf spezia­li­sierte Fachein­rich­tungen erstellen, sodass Auftrag­geber nicht zwangs­läufig auf Skrupel von Auftrag­nehmern vertrauen sollten, zusätz­liche Vergü­tungs­an­sprüche wegen entfal­lender Leistung geltend­zu­machen.

In der 1. Konstel­lation können Auftrag­geber Vergü­tungs­an­sprüchen nur dadurch entgehen, indem sie bereits bei Ausar­beitung der Mengen­schät­zungen größt­mög­liche Sorgfalt walten lassen bzw. fachlich quali­fi­zierte Dritter einsetzen, deren Problem­be­wusstsein in dieser Hinsicht geschärft ist.

In der 2. Konstel­lation sollten Auftrag­geber vor Ausspruch einer Anordnung deren Folgen genau bedenken und besten­falls nach anderen Lösungs­mög­lich­keiten suchen. Ist der Entfall von Leistungs­po­si­tionen unumgänglich, kann unter Umständen eine einver­nehm­liche Verein­barung (3. Konstel­lation) gegenüber einer einsei­tigen Anordnung vorzugs­würdig sein. In diesem Fall sollten Auftrag­geber besten­falls versuchen, zugleich eine Verein­barung über die Folgen des teilweisen Leistungs­ent­falls zu erreichen.

Heidelberg, im September 2024

Herr Clemens Maurer ist Rechts­anwalt bei GRÉUS Rechts­an­wälte an unserem Standort in Heidelberg und seit 2015 Partner der Sozietät. Als Fachanwalt für Bau- und Archi­tek­ten­recht berät und vertritt er Mandanten in allen Fragen des privaten Baurechts sowie des Archi­tekten- und Ingenieur­rechts. Ein weiterer beson­derer Schwer­punkt liegt in der Beratung und Vertretung von öffent­lichen Auftrag­gebern in baurecht­lichen und verga­be­recht­lichen Vorgängen.

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