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Bauleitplanung – Ermittlungspflicht von CO2-Emissionen?

1. Ausgangs­si­tuation

Bauleit­planung ist – als zentrales Steue­rungs­in­strument städte­bau­licher Entwicklung – bekanntlich komplex, weil sie unter­schied­liche öffent­liche und private Belange der Wirtschaft und des Verkehrs, des Umwelt- und Denkmal­schutzes sowie Belange der Bevöl­kerung an gesunde Wohnver­hält­nisse, soziale und kultu­relle Bedürf­nisse in einem aufwän­digen Abwägungs- und Betei­li­gungs­prozess zusam­men­führen muss.

Hierzu gehören auch Belange des Klima­schutzes. Denn im Bereich der Bauleit­planung gilt gem. § 1a Abs. 5 S. 1 BauGB bereits seit dem Jahr 2011, dass Erfor­der­nissen des Klima­schutzes sowohl durch Maßnahmen, die dem Klima­wandel entge­gen­wirken, als auch durch solche, die der Anpassung an den Klima­wandel dienen, Rechnung getragen werden soll. Dieser Grundsatz ist nach S. 2 dieser Vorschrift auch im Rahmen der nach § 1 Absatz 7 BauGB vorzu­neh­menden Abwägung (Abwägungs­gebot) zu berück­sich­tigen – Klima­schutz ist also ein Abwägungs­belang.

Darüber hinaus haben Träger öffent­licher Aufgaben gem. § 13 Abs. 1 des im Jahr 2019 einge­führten Bundes-Klima­schutz­ge­setzes (KSG) bei ihren Planungen und Entschei­dungen den Zweck dieses Gesetzes und die zu seiner Erfüllung festge­legten Ziele zu berück­sich­tigen. Dieser Zweck besteht gem. § 1 Abs. 1 KSG darin, zum Schutz vor den Auswir­kungen des weltweiten Klima­wandels die Erfüllung der natio­nalen Klima­schutz­ziele sowie die Einhaltung der europäi­schen Zielvor­gaben unter Berück­sich­tigung der ökolo­gi­schen, sozialen und ökono­mi­schen Folgen zu gewähr­leisten.

Der sog. „Klima­be­schluss“ des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts vom 24. März 2021 – 1 BvR 2656/18 –, wonach dem Klima­schutz Verfas­sungsrang zukommt und Art. 20a GG den Staat zum Klima­schutz verpflichtet, was auch auf die Herstellung von Klima­neu­tra­lität abziele, ist vor dem Hinter­grund der bereits mehrere Jahre zuvor einge­führten einfach­ge­setz­lichen Regelungen nur folge­richtig.

In Baden-Württemberg haben diese Vorgaben eine Entspre­chung in § 7 des im Jahr 2023 in Kraft getre­tenen Klima­schutz- und Klima­wan­de­lan­pas­sungs­gesetz Baden-Württemberg (KlimaG BW) gefunden, wonach die öffent­liche Hand im Rahmen ihrer Zustän­digkeit bei Planungen und Entschei­dungen den Zweck des Klima­schutzes und die zu seiner Erfüllung beschlos­senen Ziele bestmöglich zu berück­sich­tigen hat.

Sowohl § 1a Abs. 5 BauGB als auch § 13 KSG und § 7 KlimaG BW enthalten somit ein (Klima-)Berück­sich­ti­gungs­gebot. Aller­dings besteht in der Recht­spre­chung Einigkeit, dass Klima­schutz­ge­sichts­punkten nicht von vornherein ein Vorrang vor anderen Gesichts­punkten zukommt, so dass in Bezug auf den Klima­schutz kein Optimie­rungs­gebot besteht (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 2. Oktober 2024 – 1 KN 34/23; so auch BVerfG, Beschluss vom 24. März 2021, a.a.O.).

2. Entscheidung des VGH Mannheim vom 18. Juli 2024– 5 S 2374/22

Der VGH hatte sich unter diesen Voraus­set­zungen im Rahmen eines Normen­kon­troll­ver­fahrens mit der Frage zu befassen, ob der dort angefochtene Bebau­ungsplan wegen einer unter­las­senen Ermittlung von CO2-Emissionen (und deren Auswir­kungen) an einem Abwägungs­fehler litt.

Der VGH geht – folge­rich­ti­ger­weise – davon aus, dass sich eine Verpflichtung zur Ermittlung von CO2-Emissionen aus § 13 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1, 2 KSG ergebe (eine andere Auffassung vertritt das OVG Lüneburg, Urteil vom 2. Oktober 2024, a.a.O., wonach für Bauleit­pläne ausschließlich die Regelungen des BauGB – als spezi­al­ge­setz­liche Regelungen – zur Berück­sich­tigung von Klima­schutz­a­spekten bedeutsam sind). Nach Auffassung des VGH seien Planauf­steller verpflichtet, die zu erwar­tende Menge an Treib­h­aus­gasen, welche aufgrund eines Projekts emittiert werde, zu ermitteln und zu bewerten (unter Berufung auf BVerwG, Beschluss vom 22. Juni 2023 – 7 VR 3/23 – wonach bei Aufstellung eines Planfest­stel­lungs­be­schlusses die Verpflichtung einer Planfest­stel­lungs­be­hörde zur Ermittlung von CO2-Emissionen und deren Auswir­kungen nach § 13 Abs. 1 S. 1 KSG bestehe). Ausschließlich bei einem unver­hält­nis­mä­ßigen Aufwand komme eine Schätzung von CO2-Emissionen in Betracht. Diese Verpflichtung gelte in der von dem VGH entschie­denen Konstel­lation „insbe­sondere“ aus dem Grund, weil Gegen­stand des dortigen Normen­kon­troll­ver­fahrens kein reiner Angebots­be­bau­ungsplan war, sondern ein planfest­stel­lungs­er­set­zender Bebau­ungsplan, der grund­sätzlich auf Verwirk­li­chung der darin beschlos­senen Festset­zungen gerichtet ist. Aus diesem Grund litt die Abwägung der Gemeinde, die die CO2-Emissionen nicht ermittelt hatte, an einem Fehler.

Im Ergebnis verneinte der VGH aller­dings eine Beacht­lichkeit dieses Abwägungs­fehlers, weil die unter­lassene Ermittlung von CO2-Emissionen nicht beachtlich im Sinne des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB gewesen sei. Nach dieser Vorschrift ist ein Mangel im Abwägungs­vorgang nur dann beachtlich, wenn die von der Planung berührten Belange, die der Gemeinde bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, in wesent­lichen Punkten nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sind und wenn der Mangel offen­sichtlich und auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen ist. Dieses ist dann der Fall, wenn sich anhand der Planun­ter­lagen oder sonst erkenn­barer oder nahelie­gender Umstände die Möglichkeit abzeichnet, dass der Mangel im Abwägungs­vorgang von Einfluss auf das Abwägungs­er­gebnis gewesen sein kann.

Diese Voraus­setzung sah der VGH in der konkreten Konstel­lation als nicht erfüllt an, sodass die unter­lassene Ermittlung von CO2-Emissionen (und deren Auswir­kungen) im Ergebnis nicht zur Feststellung der Nichtigkeit des Bebau­ungs­plans führte.

3. Auswir­kungen in der Praxis

Das Urteil des VGH betrifft zwar einer­seits die Sonder­kon­stel­lation eines planfest­stel­lungs­er­set­zenden Bebau­ungs­plans, der ein erfah­rungs­gemäß langwie­riges Planfest­stel­lungs­ver­fahren bei der Zulassung von Bundesfern- oder Landstraßen sowie anderen überört­lichen Straßen ersetzt.

Aus der Entscheidung des VGH (lediglich) die Schluss­fol­gerung zu ziehen, dass die Verpflichtung der Gemeinden zur Ermittlung von CO2-Emissionen und deren Auswir­kungen nur bei solchen Bebau­ungs­plänen bestehe, die bereits ein konkretes Vorhaben betreffen (neben planfest­stel­lungs­er­set­zenden ist hier an Vorha­ben­be­zogene Bebau­ungs­pläne im Sinne der §§ 12 Abs. 1 und 3a BauGB zu denken), wäre jedoch mit überwie­gender Wahrschein­lichkeit zu kurz gegriffen. Denn zum einen hat der VGH diese Verpflichtung nur „insbe­sondere“ und damit nur beispielhaft für planfest­stel­lungs­er­set­zende Bebau­ungs­pläne statuiert, sodass sich bereits aus dieser Formu­lierung ableiten lässt, dass der VGH die Gemeinden auch bei der Aufstellung von Angebots­be­bau­ungs­plänen in der gleichen Verpflichtung sieht. Zum anderen würde eine derartige – der Sache nach einschrän­kende – Auslegung von § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG den damit verfolgten Klima­schutz­zielen, denen das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt Verfas­sungsrang einge­räumt hat, voraus­sichtlich nicht gerecht werden.

Soweit der VGH anderer­seits entschieden hat, dass der Abwägungs­fehler in der konkreten Konstel­lation im Ergebnis unbeachtlich war, handelt es sich um eine einzel­fall­be­zogene Bewertung. Ob die Voraus­set­zungen der „planer­hal­tenden“ Vorschrift des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB vorliegen, ist unter Berück­sich­tigung der konkreten Umstände des jewei­ligen Einzel­falls zu prüfen. Hierbei darf ein Einfluss eines Ermitt­lungs-/Bewer­tungs­mangels auf das Ergebnis nur verneint werden, wenn das Gericht in Bezug auf das Kausa­li­täts­kri­terium – ohne dem Rechts­be­helfs­führer insoweit die Beweislast aufzu­er­legen – zu der Feststellung in der Lage ist, dass die angegriffene Entscheidung ohne den geltend gemachten Fehler nicht anders ausge­fallen wäre (so bereits EuGH, Urteil vom 7. November 2013 – C-72/12). Hinzu­kommt, dass die Beschränkung der gericht­lichen Kontrolle durch § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB keine Auswir­kungen auf die Antrags­be­fugnis nach § 47 Absatz 2 VwGO hat. Ein Antrag­steller kann seine Antrags­be­fugnis folglich auch auf solche Mängel stützen, bei denen gem. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB die Ergeb­nis­re­levanz des Fehlers nicht vorhanden ist, sodass bei einer unter­las­senen Ermittlung von CO2-Emissionen unnötige – weil vermeidbare – Normen­kon­troll­ver­fahren drohen.

Gemeinden sollten daher in jedem Fall die von einem Plangebiet ausge­henden CO2-Emissionen in einem ersten Schritt ermitteln. Um alle hierzu maßgeb­lichen Gesichts­punkte zu berück­sich­tigen, ist zu empfehlen, diese Ermittlung durch geeignete Fachein­rich­tungen durch­führen zu lassen. In einem zweiten Schritt sind die gewon­nenen Ergeb­nisse bei der Abwägung zu berück­sich­tigen und das Abwägungs­er­gebnis ist genau zu dokumen­tieren, weil nur hierdurch rechts­si­chere Bebau­ungs­pläne entstehen.

Heidelberg, im Oktober 2025

Herr Clemens Maurerist Rechts­anwalt bei GRÉUS Rechts­an­wälte an unserem Standort in Heidelberg und seit 2015 Partner der Sozietät. Als Fachanwalt für Bau- und Archi­tek­ten­recht und Fachanwalt für Verga­be­recht berät und vertritt er Mandanten in allen Fragen des privaten und öffent­lichen Baurechts sowie des Archi­tekten- und Ingenieur­rechts. Ein beson­derer Schwer­punkt liegt in der Beratung und Vertretung von öffent­lichen Auftrag­gebern in baurecht­lichen, verga­be­recht­lichen und verwal­tungs­recht­lichen Vorgängen.

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