Auslagern von Beschaffungsvorgängen unzulässig?!
Begrenzte zeitliche und personelle Ressourcen lassen die Frage aufkommen, ob und in welchem Rahmen öffentliche Auftraggeber ihre Beschaffungstätigkeit (zeitweise) auslagern können. Auch auf dem Markt finden sich externe Stellen z.B. Unternehmensberatungen, Rechtsanwaltskanzleien, Architekten- und Ingenieurbüros und ähnliche Dienstleister, welche die Vorbereitung, die Durchführung und die Beratung in Vergabeverfahren anbieten. Dritte (auch Private und potentielle Bewerber/Bieter) dürfen den öffentlichen Auftraggeber auch bei der Ausarbeitung und der und Durchführung von Vergabeverfahren unterstützen (vgl. § 7 VgV oder § 7 SektVO). Doch wie weit reichen die Unterstützungsmöglichkeiten bzw. gibt es eine Grenze, ab die Bande zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und seinen originären Verwaltungstätigkeiten derart gelöst sind, dass gegen den Grundsatz der Eigenverantwortung verstoßen wurde und ergeben sich hieraus auch vergaberechtliche Fallstricke?
Mit dieser Fragestellung hatten sich jüngst gleich mehrere Senate und Vergabekammern zu beschäftigen.
Unproblematisch zulässig sind die Zusammenstellung und die Prüfung der Vergabeunterlagen sowie die Protokollierung des Vergabeverfahrens selbst, da der öffentliche Auftraggeber sich seiner eigenen Entscheidungshoheit nicht entledigt. Das bedeutet, rein organisatorische Aufgaben dürfen übertragen werden, dies gilt nach den jüngsten Entscheidungen auch für die Öffnung der Angebote i.S.d. § 55 Abs. 2 S. 1 VgV (VK Südbayern, Beschluss v. 16. Mai 2022, Az.: 3194.Z3-3_01-21-62). Das Vier-Augen-Prinzip bei der Angebotsöffnung ist also auch dann gewahrt, wenn es sich bei den zwei Personen um Mitarbeitende eines externen (Beschaffungs-)Dienstleisters handele und das Verfahren den §§ 10, 11 VgV entspricht (vgl. weiterführend OLG Düsseldorf, Beschluss v. 14. November 2018 – Az.: Verg 31/18 und VK Niedersachsen, Beschluss v. 08. Mai 2018 – Az.: VgK-10/2018 – wenn kein kollusives Zusammenwirken möglich). Auch die reine Vorbereitung der Auftragsbekanntmachung und der Vergabeunterlagen sowie die Unterstützung bei Verhandlungen mit den Bietern und eine Unterstützung bei der fachlichen und rechtlichen Angebotsauswertung sind grds. unschädlich.
Nach dem Grundsatz der Eigenverantwortung muss der öffentliche Auftraggeber jedoch, Ausfluss des Wettbewerbs- und Transparenzgrundsatzes, die wesentlichen Vergabeentscheidungen – ein vollständiges „outsourcen“ (vgl. VK Lüneburg, Beschluss v. 02. November 2018 – Az.: VgK-40/2018; VPR 2019, 49) ist damit nicht möglich. Nach eingangs zitierter und jüngerer Entscheidung der VK Südbayern gibt es zudem einen Kernbereich an Tätigkeiten, die wegen der damit einhergehenden Manipulationsgefahr, im Rahmen eines Beschaffungsvorgangs nicht vollständig auf Dritte übertragen werden können: die Abfassung des Leistungsverzeichnisses, die Entscheidung über die Nachforderung von Unterlagen sowie die Angebotswertung (vgl. VK Südbayern, Beschluss v. 16. Mai 2022, Az.: 3194.Z3-3_01-21-62). Der öffentliche Auftraggeber muss also das Vergabeverfahren in eigener Verantwortung durchführen, d.h. die Angebote prüfen und eigenverantwortlich über die Ausschlussgründe und den Zuschlag entscheiden. Für zulässig erachtet wird es jedoch, der öffentliche Auftraggeber sich diese Entscheidungen durch Dritte/Externe vorbereiten lässt, sich dessen Vorschlag zu Eigen macht, dies hinreichend dokumentiert und damit genehmigt (vgl. Vergabeblog.de vom 09/02/2023, Nr. 52340; Vergabeblog.de vom 06/10/2022, Nr. 50927).
Heidelberg, im April 2023
Herr Philipp Härter ist Rechtsanwalt bei GRÉUS Rechtsanwälte an unserem Standort in Heidelberg und seit 2021 Partner der Sozietät. Als Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht berät und vertritt er Mandanten in allen Fragen des privaten Baurechts sowie des Architekten- und Ingenieurrechts. Ein weiterer besonderer Schwerpunkt liegt in der Beratung und Vertretung von öffentlichen Auftraggebern in allen Beschaffungsfragen.