Vergaberecht Rundbrief 5/2014
Ausgabe 5/2014, 23. September 2014
1. Inhaltliche Änderungen nach Ausschreibungsbeginn und vor Zuschlag
Grundsätzlich kommt ein Vertrag zustande, indem auf das wirtschaftlichste Angebot der Zuschlag erteilt wird.
Enthält dieser Zuschlag aber Änderungen, kommt der Vertrag nicht mit der Zuschlagserteilung zustande, sondern erst durch die später verfasste Vertragsurkunde. Der Inhalt der Ausschreibung wird, soweit er in der späteren Vertragsurkunde nicht übernommen ist, kein Vertragsinhalt. So entschieden durch das OLG Naumburg am 26. Juni 2014.
2. Mehrere Hauptangebote
Grundsätzlich darf ein Bieter mehrere Hauptangebote abgeben. Dies muss sich eindeutig aus seinen Unterlagen ergeben und jedes einzelne Angebot muss so eindeutig sein, dass es mit einem einfachen „ja“ angenommen werden kann. Jedes der Hauptangebote muss mindestens die für Nebenangebote geltenden formellen Anforderungen einhalten.
Ein Nebenangebot kann dagegen nicht als zweites Hauptangebot gewertet werden. Nebenangebote sind vielmehr wesentliche Bestandteile des Hauptangebots. Etwas anderes ist nur im Wege der Umdeutung möglich, wenn sich dieses (Neben-) Angebot im Rahmen der Leistungsbeschreibung bewegt. Siehe hierzu VK Bund vom 29. Januar 2014 bzw. OLG Koblenz vom 15. August 2014.
3. Produktangaben in der Ausschreibung
Es gilt zunächst der Grundsatz, dass produktneutral auszuschreiben ist. Ausnahmen davon bestehen, wenn der Auftragsgegenstand nicht hinreichend genau und allgemeinverständlich beschrieben werden kann. Es darf dann in der technischen Spezifikation auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren oder auf Marken, Patente, Typen hingewiesen werden. Solche Hinweise sind mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ zu versehen.
Ganz anders aber, wenn der Auftraggeber ein bestimmtes Produkt beauftragen will und die Festlegung auf dieses Produkt objektiv auftrags- oder sachbezogen ist und der Auftraggeber seine Entscheidung nachvollziehbar begründet (siehe VK Bund vom 9. Mai 2014).
4. Schlaglichter
- Insolvenz berechtigt zur Kündigung! Kein Verstoß gegen Insolvenzordnung!
- Fehlerhafte Angaben sind nicht mit fehlenden Erklärungen gleichzusetzen!
- Unklarheiten in der Leistungsbeschreibung gehen zulasten der Vergabestelle!
- Bewerber/Bieter tragen das Übersendungsrisiko auch bei ungewöhnlich langen Postlaufzeiten!
- Ausgleich des Wissensvorsprungs vor Ausschluss eines Bewerbers/Bieters mit Sonderwissen!
- Ein Wertungssystem ist insgesamt bekanntzumachen, also auch alle Unter- und Unter-Unterkriterien, Bewertungsmatrizen oder Wertungsleitfäden!
- Keine vergaberechtsfreie Nachtragsbeauftragung bei freiwilliger Änderung des Bedarfs durch den Auftraggeber!
Ralf Schmitz
Rechtsanwalt Fachanwalt für Vergaberecht
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht