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Das Null-Euro-Angebot – Aufklärung gewünscht!

Das Null-Euro-Angebot – Aufklärung gewünscht!

Gibt ein Bieter im Rahmen einer Ausschreibung ein Angebot ab, das bei Einzel­po­si­tionen mit „0,00 €“ bepreist ist, stellt dies den Auftrag­geber immer wieder vor Probleme, wie mit dem Angebot umgegangen werden soll.

Mit seiner aktuellen Entscheidung hat der EuGH (EuGH, Urteil vom 10. September 2020 – Rs. C-367/19) nicht zwingend für eine Verein­fa­chung gesorgt, soweit er zu dem Ergebnis kommt, dass eine mit 0,00 € angebotene Leistung nicht schon allein aus diesem Grund ausge­schlossen werden kann. Was bedeutet diese Entscheidung nun für die Verga­be­praxis?

Auch weiterhin wird bei einer „0,00 €“ Preis­angabe zunächst und unter Berück­sich­tigung der Verga­be­un­ter­lagen zu klären sein, ob diese Preis­angabe bedeutet, dass die Leistung nicht oder kostenlos angeboten wird. Kommt man hiernach zu dem Ergebnis, dass eine recht­mäßig gefor­derte Leistung in den eindeutig und erschöpfend beschrie­benen Auftrags­un­ter­lagen nicht angeboten wird, kann dies (sofern Neben­an­gebote nicht zugelassen sind) zu einem Ausschluss des Angebots führen (VK Südbayern, Beschluss vom 03. Mai 2016 - Z3-3-3194-1-61-12/15).

Führt die Auslegung des Angebots aber zu dem Ergebnis, dass die gefor­derte Leistung kostenlos angeboten werden soll, wird auch weiterhin zunächst der Frage nachzu­gehen sein, ob eine Preis­angabe falsch ist, denn soll eine Leistung trotz der Angabe von 0,00 € tatsächlich kosten­pflichtig sein, hat dies nach jüngerer Recht­spre­chung ebenfalls zur Folge, dass das Angebot im Einzelfall ausge­schlossen werden kann (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. März 2016 - Verg 48/15; VK Bund, Beschluss vom 10. Juli 2019 - VK 2-40/19). Zum selben Ergebnis gelangt man, wenn der „0,00 €“ Preiseintrag oder die sonstige Niedrig­prei­s­angabe auf einer Misch­kal­ku­lation beruht (BGH, Beschluss v. 18. Mai 2004 – Az.: X ZB 7/04).

Kann auch eine falsche Preis­angabe oder eine Misch­kal­ku­lation ausge­schlossen werden, darf das Angebot also nicht per sé ausge­schlossen werden, weil die Leistung sogar insgesamt „kostenlos“ angeboten wird.

Dies bestätigt der EuGH auch in der o.g. Entscheidung, denn Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 der Richt­linie 2014/24/EU (Allge­meine Verga­be­richt­linie) sei dahin auszu­legen, dass er im Rahmen eines Verga­be­ver­fahrens keine Rechts­grundlage für die Ablehnung des Angebots allein aus dem Grund darstellt, dass der in dem Angebot vorge­schlagene Preis null Euro beträgt (EuGH, aaO, Ls.).

Seine Entscheidung begründet der EuGH damit, dass Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 der RL 2014/24/EU öffent­liche Aufträge als entgelt­liche Verträge definiert. Ein Vertrag, mit dem ein öffent­licher Auftrag­geber rechtlich nicht verpflichtet ist, bei einer Leistung eine Gegen­leistung zu erbringen, fällt also nicht unter den Begriff "entgelt­licher Vertrag" im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 der RL 2014/24/EU (EuGH, aaO, Rz. 27). Dass für den Bieter ein wirtschaft­licher Wert schon allein im Erlangen dieses Vertrags liegen könnte, da ihm dadurch ein Markt­zugang eröffnet oder der Erwerb von Referenzen ermög­licht würde, reiche nicht aus, um diesen Vertrag als "entgeltlich“ einzu­stufen (EuGH, aaO, Rz. 28).

Dass das Angebot – mangels Entgelt­lichkeit – nicht unter den Begriff des öffent­lichen Auftrags fällt, recht­fertige dennoch keinen Ausschluss des Bieters, da der Auftrag­geber eine entgelt­liche Dienst­leistung ausge­schrieben habe. Art. 2 Abs. 5 der RL 2014/24/EU definiere lediglich den Anwen­dungs­be­reich der Richt­linie, so der EuGH. sodass diese Vorschrift keine Rechts­grundlage sein kann, auf die die Ablehnung eines Angebots mit einem vorge­schla­genen Preis von null Euro gestützt werden kann (EuGH, aaO, Rz. 29 f.). Deswegen muss ein öffent­licher Auftrag­geber, da ein Angebot zu einem Preis von null Euro als ungewöhnlich niedrig im Sinne von Art. 69 der RL 2014/24/EU bezeichnet werden kann, sich richt­li­ni­en­konform verhalten und den Bieter zur Aufklärung des Angebots auffordern (EuGH, aaO, Rz. 30f.).

Hiermit bestätigt der EuGH letztlich die in Deutschland herrschende Verga­be­spruch­praxis, wonach auch ein „0,00 €“ oder sonstiger extremer Niedrig­preis eine wirksame Preis­angabe darstellen kann und ein Ausschluss dieses Angebots nicht ohne weiteres möglich ist (OLG Naumburg, Beschluss vom 29. Januar 2009 - 1 Verg 10/08; VK Bund, Beschluss vom 10. Juli 2019 - VK 2-40/19; VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. April 2013 - 1 VK 9/13; VK Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10. Februar 2011 - VK 1-53/10; VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 03. Dezember 2008 - VK-SH 12/08).

Auch im Hinblick auf die aktuelle Entscheidung des EuGH ist daher eine Aufklärung gewünscht (und geboten). Die Erläu­te­rungen im Rahmen der Aufklärung sollen dabei zur Bewertung der Verläss­lichkeit des Angebots beitragen und den Nachweis ermög­lichen, dass sich der angebotene Preis nicht auf die ordnungs­gemäße Ausführung des Auftrags auswirken wird. In Rahmen der Aufklärung ist dann auch der Umstand zu prüfen und zu werten, wie der Bieter das Zustan­de­kommen des Preises damit erkläre, dass er im Fall der Auftrags­er­teilung den Zugang zu einem neuen Markt oder zu Referenzen zu erhalten werde (EuGH, aaO, Rz. 35f.) - status quo also.

Heidelberg, 9. Oktober 2020

Herr Philipp Härter ist Rechts­anwalt bei GRÉUS Rechts­an­wälte an unserem Standort in Heidelberg und seit 2021 Partner der Sozietät. Als Fachanwalt für Bau- und Archi­tek­ten­recht berät und vertritt er Mandanten in allen Fragen des privaten Baurechts sowie des Archi­tekten- und Ingenieur­rechts. Ein weiterer beson­derer Schwer­punkt liegt in der Beratung und Vertretung von öffent­lichen Auftrag­gebern in allen Beschaf­fungs­fragen.

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