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Architekt schuldet keine vertiefte juristische Beratung!

1. Ausgangs­si­tuation

Nicht selten bilden Leistungen aus den Leistungs­phasen 1 bis 8 den Gegen­stand von Archi­tek­ten­ver­trägen. Dabei gehört zur Leistungs­phase 7 die Mitwirkung des Archi­tekten bei der Auftrags­er­teilung (vgl. lit. h) der Anlage 10 zu § 34 Absatz 4, § 35 Absatz 7 HOAI, Leistungsbild Gebäude und Innen­räume). Dieses gilt im Rahmen der Objekt­planung entspre­chend für die Planung von Freian­lagen, Ingenieur­bau­werken und Verkehrs­an­lagen sowie für den Fachplaner im Bereich der Tragwerks­planung und der techni­schen Ausrüstung. Von der „Mitwirkung bei der Auftrags­er­teilung“ ist nach herrschender Meinung auch die Vorbe­reitung und ggfs. Anpassung der Bauver­träge durch den Archi­tekten/Fachplaner umfasst.

Hieraus ergibt sich die Frage, ob und ggfs. in welchem Umfang Architekt/Fachplaner verpflichtet sind, Vertrags­klauseln juris­tisch zu überprüfen und – vor allem – ob der Architekt dem Auftrag­geber gegenüber haftet, wenn der Architekt einen Bauvertrag mit einem Inhalt verfasst, der für den Auftrag­geber nachteilig ist. Nachteile des Auftrag­gebers können hierbei insbe­sondere resul­tieren aus

  • Regelungen, die sich für den Auftrag­geber grund­sätzlich nachteilig auswirken, beispiels­weise im Zusam­menhang mit der Ermittlung der Vergü­tungshöhe für zusätz­liche Leistungen (Nachträge) des Auftrag­nehmers;
  • Regelungen, die darauf abzielen, dem Auftrag­geber einen Vorteil zu verschaffen, die jedoch unwirksam sind, weil sie beispiels­weise einer AGB-Kontrolle nicht stand­halten.

2. Entscheidung des OLG Stuttgart vom 30. September 2022 – 10 U 12/22

Das Oberlan­des­ge­richt Stuttgart hat am 30. September 2022 entschieden, dass von der „Mitwirkung bei der Auftrags­er­teilung“ keine Verpflichtung des Archi­tekten umfasst sei, dem Auftrag­geber einen juris­tisch geprüften, rechtlich einwand­freien Vertrag­s­entwurf zu liefern, für den der Architekt wie ein beratender Rechts­anwalt einzu­stehen habe.

Vielmehr beinhalte die Verpflichtung des Archi­tekten im Zusam­menhang mit der Auftrags­er­teilung eine solche Mitwirkung, die sich auf die von ihm als Archi­tekten „zu erwar­tenden tatsäch­lichen und recht­lichen Kennt­nisse“ beschränkt. Hiervon seien die „Grundzüge des Bauver­trags­rechts“ unter „Berück­sich­tigung der gängigen Recht­spre­chung“ umfasst, nicht jedoch die Überprüfung spezi­eller Rechts­fragen (hier: AGB-Klausel mit einer Skonto­frist).

Grund hierfür bilde der Umstand, dass der Architekt ansonsten einer Haftung im Bereich der Vertrags­ge­staltung nur dadurch entgehen könne, indem er sich seiner­seits anwaltlich beraten ließe. Das Archi­tek­ten­ho­norar decke aller­dings – ohne anders­lau­tende Verein­barung – nur die Leistungen des Archi­tekten ab, jedoch keine Kosten zusätz­licher Rechts­be­ratung.

Auch sei ein Architekt „ohne konkreten Anlass“ nicht gehalten, den Auftrag­geber auf das Erfor­dernis einer recht­lichen Prüfung hinzu­weisen.

3. Keine Rechts­si­cherheit für Auftrag­geber/Architekt

Soweit die Entscheidung des OLG Stuttgart darauf abzielt, eine rechts­si­chere Abgrenzung der Verpflich­tungen eines Archi­tekten im Bereich der Vorbe­reitung und ggfs. Anpassung der Bauver­träge zu ermög­lichen, gelingt dieses im Ergebnis kaum.

Denn weder wird klar, welche konkreten „tatsäch­lichen und recht­lichen Kennt­nisse“ Auftrag­geber von einem Archi­tekten erwarten dürfen, noch ist aus Sicht des Auftrag­gebers – und auch nicht des Archi­tekten – eindeutig, was im Einzelfall von den „Grund­zügen des Bauver­trags­rechts“ umfasst ist. Darüber hinaus wird nicht hinrei­chend deutlich, bei welcher Recht­spre­chung es sich um „gängige“ handeln soll.

Weiterhin bleibt unklar, wann ein Architekt „konkreten Anlass“ hat, um den Auftrag­geber auf das Erfor­dernis einer recht­lichen Prüfung hinzu­weisen.

Die Haftungs­frage wird somit im Ergebnis nur auf eine andere Ebene verlagert. Denn auch die Bewertung der von dem Oberlan­des­ge­richt Stuttgart verwen­deten, unbestimmten Rechts­be­griffe erfordert im Einzelfall vertiefte juris­tische Fachkennt­nisse, die von einem Archi­tekten ja gerade nicht erwartet werden können.

4. Auswir­kungen in der Praxis

Fest steht hiernach jeden­falls, dass ein Auftrag­geber von dem mit Leistungs­phase 7 beauf­tragten Archi­tekten angesichts von dessen Ausbildung keine vertieften juris­ti­schen Kennt­nisse bei der Vertrags­ge­staltung erwarten darf.

Wenn der Auftrag­geber somit eine rechts­si­chere Überprüfung eines Bauver­trags erreichen möchte, sollte er sich – worauf letztlich auch das Oberlan­des­ge­richt Stuttgart hinweist – an einen Rechts­kun­digen, also vor allem an einen Rechts­anwalt, wenden. Dieses gilt konse­quen­ter­weise auch für den Archi­tekten (entspre­chend für den Fachplaner), der sich andern­falls mögli­cher­weise gegenüber seinem Auftrag­geber schadenser­satz­pflichtig macht.

Heidelberg, im Dezember 2022

Herr Clemens Maurer ist Rechts­anwalt bei GRÉUS Rechts­an­wälte an unserem Standort in Heidelberg und seit 2015 Partner der Sozietät. Als Fachanwalt für Bau- und Archi­tek­ten­recht berät und vertritt er Mandanten in allen Fragen des privaten Baurechts sowie des Archi­tekten- und Ingenieur­rechts. Ein weiterer beson­derer Schwer­punkt liegt in der Beratung und Vertretung von öffent­lichen Auftrag­gebern in baurecht­lichen und verga­be­recht­lichen Vorgängen.

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