Vergaberecht Rundbrief 2/2016
Ausgabe 2/2016, 18. Juli 2016
Die Wirren, die durch eine am Ende hektisch durchgeführte Änderung, insbesondere im Europäischen Vergaberecht, ausgelöst wurden, sind noch lange nicht abgeklungen. Die einschlägigen Gesetzestexte sind auch nach 2 1⁄2 Monaten noch nicht im Handel beziehbar, sondern ausschließlich über das Internet.
Kommentarliteratur wird für Anfang/Mitte 2017 angekündigt, so dass die zahlreichen Neuerungen in den verschiedenen Vorschriften (GWB, VgV, VOB/A, VOB/A-EU) bisweilen noch selbst interpretiert bzw. ausgelegt werden müssen. Dabei bin ich Ihnen gerne behilflich.
Wie bereits im letzten Vergaberundbrief angekündigt, bieten wir an, Ihre Mitarbeiter in allen Vergabebereichen, aber auch in der VOB/B, bei Ihnen im Hause zu schulen. Dies in Blöcken von 3 bis 5 Stunden mit bis zu 12 Teilnehmern.
Nachfolgend die aus unserer Sicht wichtigsten Entscheidungen:
1. Fehlender Preis/Unklare Preisangabe
Nach einer Entscheidung der VK Südbayern vom 3. Mai 2016 sind Angebote auszuschließen, in denen ein – erheblicher – Preis fehlt oder aber der Preis mit 0,00 € angegeben wird. In diesen Fällen bleibe unklar, ob der Bieter damit anbietet, das Produkt für 0,00 € zu liefern oder aber bekanntgibt, dass das Produkt von ihm nicht angeboten wird, also nicht zum Leistungsumfang gehört.
2. Unzutreffende Preisangabe
Nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 16. März 2016 ist die Preisangabe im Angebot unzutreffend, wenn nicht der Betrag angegeben wird, der tatsächlich beansprucht wird. Eine nachträgliche Klarstellung ist zulässig, nicht aber eine nachträgliche Änderung des Angebots durch das Einfügen eines neuen Preises.
3. Bietereignung und Verkauf von Unternehmensteilen
Die Anwendbarkeit des Vergaberechts endet grundsätzlich im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung. Zuvor bekanntgewordene Veräußerungen von Unternehmensteilen, welche Zweifel an der weiteren Eignung berechtigen, sind vergaberechtlich zu klären. Ereignisse, die nach Zuschlagserteilung eintreten, unterfallen nicht mehr dem Vergaberecht und sind vertragsrechtlich zu lösen; so die VK Bund mit Beschluss vom 10. März 2016.
4. Direktvergabe
Gemäß einem Beschluss der VK Rheinland-Pfalz vom 14. September 2015 handelt es sich um eine durch die Nachprüfungsbehörden überprüfbare Entscheidung eines öffentlichen Auftraggebers, wenn dieser im Amtsblatt der EU die Absicht einer Direktvergabe bekanntgibt. Davon zu unterscheiden seien Ankündigungen und Absichtserklärungen im Vorfeld von Ausschreibungen, die grundsätzlich nicht überprüfbar sind.
Im Hinblick auf § 135 Abs. 3 GWB sollte die Veröffentlichung klar zu erkennen geben, dass die Entscheidung zur entsprechenden Vergabe getroffen wurde.
5.
In § 135 Abs. 1 Ziff. 2 GWB ist geregelt, dass die sog. de facto-Vergabe zu einem von Anfang an unwirksamen Auftrag führt. Gem. § 135 Abs. 2 GWB kann diese Unwirksamkeit nur im Nachprüfungsverfahren festgestellt werden. Dies innerhalb von 6 Monaten seit Vertragsschluss. Hat der Auftraggeber die Auftragsvergabe allerdings im Amtsblatt der Europäischen Union bekanntgemacht, endet diese Frist nach 30 Kalendertagen nach Veröffentlichung der Bekanntmachung.
Nach einer Entscheidung des OLG Frankfurt vom 3. Mai 2016 gilt dies auch für Vertragsänderungen, soweit die Änderung vom Umfang her zu einer erneuten Ausschreibungspflicht geführt hat.
Zu ergänzen ist hier die seit 18. April 2016 bestehende weitere Möglichkeit in § 135 Abs. 3 GWB, wonach die Unwirksamkeit des Auftrages nicht eintritt, wenn:
- der öffentliche Auftraggeber der Ansicht ist, dass die Auftragsvergabe ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union zulässig ist;
- der öffentliche Auftraggeber eine Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht hat, mit der er die Absicht bekundet, den Vertrag abzuschließen und
- der Vertrag nicht vor Ablauf einer Frist von mindestens 10 Kalendertagen, gerechnet ab dem Tag nach der Veröffentlichung dieser Bekanntmachung, abgeschlossen wurde.
Von dieser neuen Möglichkeit sollte in geeigneten Fällen auch Gebrauch gemacht werden.
Hinderlich ist lediglich, dass das Veröffentlichungsportal des Amtsblattes der Europäischen Union darauf noch nicht eingestellt ist und das entsprechende Formular noch nicht vorhanden ist. Die Veröffentlichung gem. Ziff. 2 erfolgt auf dem Formular für vergebene (statt zu vergebende) Aufträge. Nach telefonischer Absprache mit dem dortigen Mitarbeiter lässt man das Datum (des angeblich vergebenen Auftrags) weg und wartet die 10 Tage ab der Veröffentlichung, bevor der Auftrag dann erteilt wird.
6. Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers hinsichtlich des Beschaffungsgegenstandes
Grundsätzlich ist der Auftraggeber in seiner Entscheidung frei, welche Leistungen er im Wege der Ausschreibung beziehen will. Technische Anforderungen bzw. konkrete Produktnennungen,
die bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigen oder ausschließen, sind
allerdings nur ausnahmsweise zulässig. Die Entscheidung des Auftraggebers muss durch den
Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt sein, es müssen also nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe vorliegen. Die Bestimmung muss willkürfrei sein. So entschieden von der VK Bund am 9. Februar 2016.
In solchen Fällen darf auf keinen Fall der Zusatz „oder vergleichbar“ angefügt werden!
7. Beiziehung eines Rechtsanwaltes auf Seiten der Vergabestelle
Die bislang äußerst wechselhafte Rechtsprechung hierzu des OLG Karlsruhe endet bislang in einem Beschluss vom 10. März 2015. Hier bezieht das OLG Karlsruhe – mal wieder – die Ansicht, dass bei schwierig gelagerten Rechtsfragen, insbesondere wenn sie Bezüge zu höherrangigem Recht und Europarecht aufweisen, auch die Vergabestelle externen Rechtsrat einholen darf. Dies sei ihr nur verwehrt, soweit die für ein Nachprüfungsverfahren notwendigen Sach- und Rechtskenntnisse zum originären Aufgabenbereich des öffentlichen Auftraggebers gehören und damit grundsätzlich selbst zu verschaffen sind.
Ralf Schmitz
Rechtsanwalt Fachanwalt für Vergaberecht
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht