Telefon: 06221/9805-0
E-Mail: info@greus.de

Vergaberecht Rundbrief 2/2016

Ausgabe 2/2016, 18. Juli 2016

Die Wirren, die durch eine am Ende hektisch durch­ge­führte Änderung, insbe­sondere im Europäi­schen Verga­be­recht, ausgelöst wurden, sind noch lange nicht abgeklungen. Die einschlä­gigen Geset­zes­texte sind auch nach 2 1⁄2 Monaten noch nicht im Handel beziehbar, sondern ausschließlich über das Internet.

Kommen­tar­li­te­ratur wird für Anfang/Mitte 2017 angekündigt, so dass die zahlreichen Neuerungen in den verschie­denen Vorschriften (GWB, VgV, VOB/A, VOB/A-EU) bisweilen noch selbst inter­pre­tiert bzw. ausgelegt werden müssen. Dabei bin ich Ihnen gerne behilflich.

Wie bereits im letzten Verga­be­rund­brief angekündigt, bieten wir an, Ihre Mitar­beiter in allen Verga­be­be­reichen, aber auch in der VOB/B, bei Ihnen im Hause zu schulen. Dies in Blöcken von 3 bis 5 Stunden mit bis zu 12 Teilnehmern.

Nachfolgend die aus unserer Sicht wichtigsten Entschei­dungen:

1. Fehlender Preis/Unklare Preis­angabe

Nach einer Entscheidung der VK Südbayern vom 3. Mai 2016 sind Angebote auszu­schließen, in denen ein – erheb­licher – Preis fehlt oder aber der Preis mit 0,00 € angegeben wird. In diesen Fällen bleibe unklar, ob der Bieter damit anbietet, das Produkt für 0,00 € zu liefern oder aber bekanntgibt, dass das Produkt von ihm nicht angeboten wird, also nicht zum Leistungs­umfang gehört.

2. Unzutref­fende Preis­angabe

Nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 16. März 2016 ist die Preis­angabe im Angebot unzutreffend, wenn nicht der Betrag angegeben wird, der tatsächlich beansprucht wird. Eine nachträg­liche Klarstellung ist zulässig, nicht aber eine nachträg­liche Änderung des Angebots durch das Einfügen eines neuen Preises.

3. Bieter­eignung und Verkauf von Unter­neh­mens­teilen

Die Anwend­barkeit des Verga­be­rechts endet grund­sätzlich im Zeitpunkt der Zuschlags­er­teilung. Zuvor bekannt­ge­wordene Veräu­ße­rungen von Unter­neh­mens­teilen, welche Zweifel an der weiteren Eignung berech­tigen, sind verga­be­rechtlich zu klären. Ereig­nisse, die nach Zuschlags­er­teilung eintreten, unter­fallen nicht mehr dem Verga­be­recht und sind vertrags­rechtlich zu lösen; so die VK Bund mit Beschluss vom 10. März 2016.

4. Direkt­vergabe

Gemäß einem Beschluss der VK Rheinland-Pfalz vom 14. September 2015 handelt es sich um eine durch die Nachprü­fungs­be­hörden überprüfbare Entscheidung eines öffent­lichen Auftrag­gebers, wenn dieser im Amtsblatt der EU die Absicht einer Direkt­vergabe bekanntgibt. Davon zu unter­scheiden seien Ankün­di­gungen und Absichts­er­klä­rungen im Vorfeld von Ausschrei­bungen, die grund­sätzlich nicht überprüfbar sind.

Im Hinblick auf § 135 Abs. 3 GWB sollte die Veröf­fent­li­chung klar zu erkennen geben, dass die Entscheidung zur entspre­chenden Vergabe getroffen wurde.

5.

In § 135 Abs. 1 Ziff. 2 GWB ist geregelt, dass die sog. de facto-Vergabe zu einem von Anfang an unwirk­samen Auftrag führt. Gem. § 135 Abs. 2 GWB kann diese Unwirk­samkeit nur im Nachprü­fungs­ver­fahren festge­stellt werden. Dies innerhalb von 6 Monaten seit Vertrags­schluss. Hat der Auftrag­geber die Auftrags­vergabe aller­dings im Amtsblatt der Europäi­schen Union bekannt­ge­macht, endet diese Frist nach 30 Kalen­der­tagen nach Veröf­fent­li­chung der Bekannt­ma­chung.

Nach einer Entscheidung des OLG Frankfurt vom 3. Mai 2016 gilt dies auch für Vertrags­än­de­rungen, soweit die Änderung vom Umfang her zu einer erneuten Ausschrei­bungs­pflicht geführt hat.

Zu ergänzen ist hier die seit 18. April 2016 beste­hende weitere Möglichkeit in § 135 Abs. 3 GWB, wonach die Unwirk­samkeit des Auftrages nicht eintritt, wenn:

  1. der öffent­liche Auftrag­geber der Ansicht ist, dass die Auftrags­vergabe ohne vorherige Veröf­fent­li­chung einer Bekannt­ma­chung im Amtsblatt der Europäi­schen Union zulässig ist;
  2. der öffent­liche Auftrag­geber eine Bekannt­ma­chung im Amtsblatt der Europäi­schen Union veröf­fent­licht hat, mit der er die Absicht bekundet, den Vertrag abzuschließen und
  3. der Vertrag nicht vor Ablauf einer Frist von mindestens 10 Kalen­der­tagen, gerechnet ab dem Tag nach der Veröf­fent­li­chung dieser Bekannt­ma­chung, abgeschlossen wurde.

Von dieser neuen Möglichkeit sollte in geeig­neten Fällen auch Gebrauch gemacht werden.

Hinderlich ist lediglich, dass das Veröf­fent­li­chungs­portal des Amtsblattes der Europäi­schen Union darauf noch nicht einge­stellt ist und das entspre­chende Formular noch nicht vorhanden ist. Die Veröf­fent­li­chung gem. Ziff. 2 erfolgt auf dem Formular für vergebene (statt zu verge­bende) Aufträge. Nach telefo­ni­scher Absprache mit dem dortigen Mitar­beiter lässt man das Datum (des angeblich verge­benen Auftrags) weg und wartet die 10 Tage ab der Veröf­fent­li­chung, bevor der Auftrag dann erteilt wird.

6. Bestim­mungs­freiheit des Auftrag­gebers hinsichtlich des Beschaf­fungs­ge­gen­standes

Grund­sätzlich ist der Auftrag­geber in seiner Entscheidung frei, welche Leistungen er im Wege der Ausschreibung beziehen will. Technische Anfor­de­rungen bzw. konkrete Produkt­nen­nungen,

die bestimmte Unter­nehmen oder bestimmte Produkte begüns­tigen oder ausschließen, sind
aller­dings nur ausnahms­weise zulässig. Die Entscheidung des Auftrag­gebers muss durch den

Auftrags­ge­gen­stand sachlich gerecht­fertigt sein, es müssen also nachvoll­ziehbare objektive und auftrags­be­zogene Gründe vorliegen. Die Bestimmung muss willkürfrei sein. So entschieden von der VK Bund am 9. Februar 2016.

In solchen Fällen darf auf keinen Fall der Zusatz „oder vergleichbar“ angefügt werden!

7. Beiziehung eines Rechts­an­waltes auf Seiten der Verga­be­stelle

Die bislang äußerst wechsel­hafte Recht­spre­chung hierzu des OLG Karlsruhe endet bislang in einem Beschluss vom 10. März 2015. Hier bezieht das OLG Karlsruhe – mal wieder – die Ansicht, dass bei schwierig gelagerten Rechts­fragen, insbe­sondere wenn sie Bezüge zu höher­ran­gigem Recht und Europa­recht aufweisen, auch die Verga­be­stelle externen Rechtsrat einholen darf. Dies sei ihr nur verwehrt, soweit die für ein Nachprü­fungs­ver­fahren notwen­digen Sach- und Rechts­kennt­nisse zum origi­nären Aufga­ben­be­reich des öffent­lichen Auftrag­gebers gehören und damit grund­sätzlich selbst zu verschaffen sind.

Ralf Schmitz

Rechts­anwalt Fachanwalt für Verga­be­recht
Fachanwalt für Bau- und Archi­tek­ten­recht
Fachanwalt für Arbeits­recht

Akzeptieren

Für statistische Zwecke und um bestmögliche Funktionalität zu bieten, speichert diese Website Cookies auf Ihrem Gerät. Das Speichern von Cookies kann in den Browser-Einstellungen deaktiviert werden. Wenn Sie die Website weiter nutzen, stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Details finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.