Vergaberecht Rundbrief 4/2014
Ausgabe 4/2014, 26. Mai 2014
1. Fehlende Unterlagen
Der EuGH hat am 10. Oktober 2013 (C‐336/12) entschieden, dass fehlende Unterlagen vom Bieter nachgefordert werden dürfen (müssen), falls die Ausschreibungsunterlagen keine Bindung des öffentlichen Auftraggebers dahingehend beinhalten, dass unvollständige Bewerbungen oder Angebote ohne jede Möglichkeit der Nachbesserung auszuschließen sind.
Damit soll gewährleistet werden, dass alle Bieter - zwingend - gleich zu behandeln sind.
Gleichzeitig hat der EuGH entschieden, dass auch die nachträgliche Behebung von offensichtlichen sachlichen Fehlern zulässig ist.
2. Dokumentation
In zahlreichen Ausschreibungen ist nach wie vor zu beobachten, dass die Dokumentation lückenhaft bzw. unzureichend begründet ist.
Alle Vergabeordnungen sehen mittlerweile zwingend eine fortlaufende und zeitnahe Dokumentation vor. Die Vergabekammern und Vergabesenate der OLGs reagieren immer sensibler auf solche Verstöße bei der Dokumentationspflicht.
Merken Sie sich bitte, dass, wann immer Sie innerhalb des Vergabeverfahrens irgendeine Entscheidung treffen (Vergabeart, GU oder Lose, Festlegung von Kriterien ...), diese kurz zu skizzieren und zu begründen ist. Gehen Sie davon aus, dass bei einer europaweit auszuschreibenden Maßnahme ein schmaler Leitzordner durchaus zusammen kommen kann.
Eine Heilung einer fehlerhaften Dokumentation ist grundsätzlich nur möglich durch Zurückversetzung des Verfahrens in den Stand, in dem die fehlerhafte bzw. fehlende Dokumentation erfolgt ist. Dies in einem transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren.
3. Unterkostenangebote
Die Vergabekammer Nordbayern hat in einem Beschluss vom 6. Februar 2014 ein Unterkostenangebot zugelassen. Sie begründet das damit, dass die Vorschrift des§ 19 EG Abs. 2 VOL/A 2009 keinen Bieterschutz, sondern in erster Linie den Schutz des Auftraggebers beinhaltet.
Angesichts der Vorgaben in den Vergabeordnungen sieht die Vergabekammer Lüneburg im Beschluss vom 11. Juli 2013 (VgK-18/2013) die Pflicht, Angebote, deren Preise im offenbaren Missverhältnis zur Leistung stehen, vor einer Entscheidung über den Ausschluss oder die Annahme in einem Bietergespräch zu klären. Ein öffentlicher Auftraggeber sei nicht grundsätzlich gehindert, den Zuschlag sogar auf ein Unterkostenangebot zu erteilen, da ein motiviertes, äußerst knapp kalkuliertes Angebot nicht als unangemessen niedriges Angebot zu bewerten ist, wenn es die Selbstkosten gerade noch abdeckt. Dies sogar bei einem Abstand zum Nächstplatzierten von über 20%. Es dürften nach eingehender Prüfung durch die Vergabestelle aber keine Anzeichen für Unregelmäßigkeiten bei der Preiskalkulation zu finden sein.
4. Rügefrist
Im Vergaberundbrief 3/2014 hatten wir unter Ziff. 4 verschiedene Entscheidungen vorgestellt.
Zu dieser Frage hatte das OLG Brandenburg mit Beschluss vom 30. April 2013 (Verg W 3/13) entschieden, dass nach Ablauf von mehr als einer Woche eine Rüge im Regelfall nicht mehr unverzüglich ist, da in einfach gelagerten Fällen lediglich drei Tage zugrunde zu legen seien.
Sie sehen, die Spannbreite der Entscheidungen macht es schwer, hier eine rechtssichere Entscheidung zu treffen.
Ralf Schmitz
Rechtsanwalt Fachanwalt für Vergaberecht
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht