Flugverspätung
Ausgleichsanspruch auch bei Streik möglich
Ein Ausgleichsanspruch kann bestehen, auch wenn sich das Flugunternehmen damit verteidigt, die Verspätung sei durch einen Streik eingetreten. Damit dieser den Ausgleichsanspruch entfallen lässt, muss zumindest das Flugzeug, mit welchem geflogen werden sollte, zuvor durch den Streik unmittelbar betroffen worden sein. Selbst dann kann im Falle eines angekündigten Streiks ein Ausgleichsanspruch gegeben sein, wenn das Flugunternehmen nicht alles ihm Zumutbare getan hat, um die Verspätung abzuwenden. Hierzu muss das Flugunternehmen konkret Stellung beziehen und erläutern, wie es organisatorisch versucht hat, die Verspätung zu vermeiden. Hierzu kann der Versuch gehören, Aushilfsgerät und Aushilfspersonal zu besorgen. (vgl. EuGH (3. Kammer), Urteil vom 4. Oktober 2012 − C-22/11 (Finnair Oyj/Timy Lassooy)).
Allerdings macht der Bundesgerichtshof eine Ausnahme bei Störungen, die am selben Tag bei vorangegangenen Flügen des eingesetzten Flugzeugs aufgetreten sind. War dieses Flugzeug am selben Tag bei einem vorhergehenden Flug von einem Streik unmittelbar betroffen, stehe dies der Annahme außergewöhnlicher Umstände entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 2014 – X ZR 121/13, und BGH, Urteil vom 12. Juni 2014 - X ZR 104/13).
Erhebliche Vorverlegung entspricht Flugannullierung
Der Bundesgerichtshof hat in einem rechtlichen Hinweis vor Ergehen eines Anerkenntnisurteils die Auffassung vertreten, dass eine mehr als geringfügige Vorverlegung eines Fluges der Annullierung gleich komme. Kunden, deren Flüge mehr als geringfügig vorverlegt wurden, haben somit Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung. Offen bleibt allerdings, wann eine solche Vorverlegung nicht mehr geringfügig ist, zumindest bei mehreren Stunden kann nun nicht mehr von einer Geringfügigkeit ausgegangen werden (vgl. Pressemitteilung des BGH Nr. 89/2015 zu Anerkenntnisurteil vom 9. Juni 2015 – X ZR 59/14):
"Jedenfalls in einer mehr als geringfügigen Vorverlegung eines geplanten Fluges durch das Luftverkehrsunternehmen liegt eine – mit dem Angebot einer anderweitigen Beförderung verbundene – Annullierung des Fluges, die einen Ausgleichsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 der Fluggastrechteverordnung begründen kann. Für eine Annullierung ist kennzeichnend, dass das Luftverkehrsunternehmen seine ursprüngliche Flugplanung endgültig aufgibt, auch wenn die Passagiere auf einen anderen Flug verlegt werden. Dies ist durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 19. November 2009 - C-402/07, Slg. 2009, I-10923 = NJW 2010, 43 = RRa 2009, 282 - Sturgeon/Condor; Urteil vom 13. Oktober 2011 - C-83/10, Slg. 2011, I-9488 = NJW 2011, 3776 = RRa 2011, 282 - Sousa Rodríguez/Air France) geklärt, die zur Abgrenzung des Tatbestands der Annullierung vom Tatbestand der großen Verspätung entwickelt worden ist. Die ursprüngliche Flugplanung wird auch dann aufgegeben, wenn ein Flug – wie im Streitfall – um mehrere Stunden "vorverlegt" wird."
Ansprüche nach der Fluggastrechteverordnung
Durch Einführung der so genannten Fluggastrechteverordnung (Verordnung 261/2004/EG) hat die Europäische Union die Rechte der Reisenden erheblich gestärkt. Für den Fall der Nichtbeförderung, der Annullierung sowie der Flugverspätung sieht die Verordnung eine Vielzahl von neuen Rechten für den Fluggast vor. Von besonderem Interesse dürfte der Anspruch auf Ausgleichszahlung im Fall der Flugverspätung sein, welcher, anders als ein Schadensersatzanspruch, unabhängig vom Bestehen eines Schadens geltend gemacht werden kann. Der Bundesgerichtshof hat die erhebliche Flugverspätung der Nichtbeförderung bzw. Annullierung gleichgestellt.
Nichtbeförderung bzw. Annullierung
In Fällen der Nichtbeförderung bzw. Annullierung des Fluges hat die ausführende Fluggesellschaft als Ausgleichsleistung gemäß Art. 7 VO (EG) Nr. 261/2004 pauschal
- 250 € für eine Flugstrecke bis 1500 km
- 400 € für eine Flugstrecke bis 3500 km
- 600 € bei Flugstrecken länger als 3500 km
zu bezahlen.
Flugverspätung
Derselbe Anspruch entsteht im Falle einer Flugverspätung von mehr als 3 Stunden unabhängig von der Flugdistanz. Daneben hat der Fluggast Anspruch auf Verpflegung in Form von Mahlzeiten und Getränken, auf Telekommunikation und notfalls auf eine Hotelunterkunft inklusive des Transfers zur Unterkunft und zurück für die Dauer der Flugverspätung.
Schadensersatz
Neben diesen Ansprüchen ist die Geltendmachung eines eingetretenen Schadens grundsätzlich möglich.
Ausschluss von Ansprüchen
Beim Vorliegen „außergewöhnlicher Umstände“ entfallen die Ansprüche nach der Fluggastrechteverordnung. Ein außergewöhnlicher Umstand ist nicht anzunehmen beim Vorliegen eines technischen Defekts, da solche zum Risiko des Betriebs eines Flugunternehmens gehören. Der Bundesgerichtshof hat allerdings im Falle eines Streiks, bei Bodennebel sowie im Falle eines Vogelschlags das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände bejaht, wobei es allerdings auf den Einzelfall ankomme.