Telefon: 06221/9805-0
E-Mail: info@greus.de

Vergaebrecht Rundbrief 3/2014

Ausgabe 3/2014, 28.März 2014

Förder­mittel, eVergabe, Schaden­ersatz, Rügefrist

1. Förder­mittel

Zahlreiche öffent­liche Bauvor­haben werden mit Landes-, Bundes- oder anderen Mitteln gefördert.

Auch ohne ausdrück­liche Regelung verpflichtet dies den Auftrag­geber geför­derter Bauvor­haben, das Verga­be­recht einzu­halten.

Eine Vergabe im nichtof­fenen anstatt im offenen Verfahren stellt nach Ansicht des OVG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 14.08.2013 - Az. 12 A 1751/12) einen schwer­wie­genden Verga­be­rechts­verstoß dar. Das Gericht entschied, dass die Verga­be­stelle die zugewen­deten Förder­mittel vollständig zurück­zu­zahlen hat.

Nicht entschieden wurde hier, ob und inwieweit eine persön­liche Haftung des zustän­digen Sachbe­ar­beiters besteht. Dies wird von vielen Stimmen bejaht.

Einen ebenso schweren Verga­be­rechts­verstoß dürfte es darstellen, wenn Einzel­ge­werke aus einem Bauvor­haben nur national ausge­schrieben werden, obwohl das gesamte Bauvor­haben über dem Schwel­lenwert liegt. Es ist dann jedes einzelne Los (Ausnahme: 20%-Regelung) europaweit auszu­schreiben.

2. eVergabe

Die neuen EU-Verga­be­richt­linien verpflichten die Auftrag­geber zur eVergabe. Für die Einführung be-steht längstens eine Übergangs­frist bis Spätsommer/Herbst 2018. Zentrale Beschaf­fungs­stellen dürfen spätestens ab Frühjahr 2017 nur noch eVergaben durch­führen.

Es wird daher dringend empfohlen, die mit Vergaben betrauten Sachbe­ar­beiter entspre­chend schulen zu lassen.

Um Risiken hinsichtlich der Nachweis­barkeit des Empfanges im E-Mailversand auszu­schließen, sollten bei allen mit E-Mail versen­deten Dokumenten und Schreiben, Lesebe­stä­ti­gungen vom Empfänger an-gefordert werden. Nach einem Beschluss der Verga­be­kammer Bund vom 03.02.2014 (VK 2-1/14) trägt der Versender die Beweislast hinsichtlich des Zugangs.

3. Schaden­ersatz

Hier hat sich in der Recht­spre­chung noch keine klare Linie heraus­ge­bildet. Bei Bietern, die durch Verstoß gegen das Verga­be­recht übergangen wurden, stellt sich grund­sätzlich die Frage, ob der Schadensersatz das negative oder das positive Interesse betrifft.

Ein Großteil der bishe­rigen Urteile geht – jeden­falls im Unter­schwel­len­be­reich – vom negativen Interesse aus. Die Verga­be­stelle schuldet dann lediglich die Kosten, die mit der Angebot­s­er­stellung dem Bieter entstanden sind.

Zunehmend aber entscheiden die Gerichte auf die Erstattung des positiven Inter­esses. Hier beschränken sich die Gerichte zum Teil auf eine Verur­teilung zur Zahlung des entgan­genen Gewinns. Es gibt aber schon einige Gerichte, die es –richti­ger­weise – nicht dabei belassen, sondern eine ähnliche Abrechnung zulassen, wie § 649 Satz 2 BGB es vorsieht. Hiernach wäre die gesamte (angebotene) Vergütung anzusetzen und davon lediglich die ersparten Aufwen­dungen abzuziehen. Dies bedeutet, dass neben dem entgan­genen Gewinn (OLG Koblenz vom 06.02.2014 – 1 U 906/13) auch sämtliche Deckungs­kosten an den klagenden Bieter zu zahlen wären (BGH, NJW 1989, Seite 1669).

4. Rügefrist

Eine noch relativ weit verbreitete Praxis bei den Verga­be­kammern ist es, Rügen, die eine Woche oder länger nach Erkennen eines Verfah­rens­fehlers erst angebracht werden, als verspätet zurück­zu­weisen, mit dem Ergebnis, dass das Nachprüf­ver­fahren keinen Erfolg hat. Diese „Recht­spre­chung“ wird zu-nehmend eingeengt und aufge­hoben:

a) Das OLG Jena hat am 16.09.2013 (9 Verg 3/13) beschlossen, dass nur solche Verga­be­rechts­ver­stöße erkennbar sind, die bei üblicher Sorgfalt und den üblichen Kennt­nissen des von der Ausschreibung angespro­chenen Verkehrs­kreises erkannt werden können.

b) Das OLG Düsseldorf hat schon am 19.06.2013 (VII-Verg 4/13) entschieden, dass eine Verkürzung der Rügefrist auf sieben Kalen­dertage unzulässig und damit unwirksam ist, da dies mit § 7 Abs. 3 GWB nicht vereinbar sei. Gleich­zeitig befand das Gericht, dass von einem durch­schnitt­lichen Bieter nicht erwartet werden könne, dass er die verga­be­recht­liche Recht­spre­chung zum Erfor­dernis der Bildung und Bekanntgabe von Unter-Kriterien und Bewer­tungs­ma­trizen kennt.

c) Am weitesten geht hier das OLG Koblenz mit seinem Beschluss vom 16.09.2013 (1 Verg 5/13), mit welchem es feststellt, dass § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB wegen der Unbestimmtheit des Begriffs „unver­züglich“ gegen Unions­recht verstoße und von daher unange­wendet bleiben müsse. Das Gericht bezieht sich hierfür auf eine Entscheidung des EuGH aus 2010 (EuGH v. 28.01.2010 - C-406/08 - VergabeR 2010, 451).

Offen ist, ob nun nach Ansicht des OLG Koblenz überhaupt kein Zeitrahmen mehr besteht, innerhalb dessen eine Rüge ausge­sprochen werden muss. Wünschenswert wäre es, wenn der Gesetz­geber hier tätig wird. Der Bundesrat hatte bereits im Sommer 2008 vorge­schlagen, eine Wochen­frist festzu­legen.

Ralf Schmitz

Rechts­anwalt Fachanwalt für Verga­be­recht
Fachanwalt für Bau- und Archi­tek­ten­recht
Fachanwalt für Arbeits­recht

Akzeptieren

Für statistische Zwecke und um bestmögliche Funktionalität zu bieten, speichert diese Website Cookies auf Ihrem Gerät. Das Speichern von Cookies kann in den Browser-Einstellungen deaktiviert werden. Wenn Sie die Website weiter nutzen, stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Details finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.