Vergaebrecht Rundbrief 3/2014
Ausgabe 3/2014, 28.März 2014
Fördermittel, eVergabe, Schadenersatz, Rügefrist
1. Fördermittel
Zahlreiche öffentliche Bauvorhaben werden mit Landes-, Bundes- oder anderen Mitteln gefördert.
Auch ohne ausdrückliche Regelung verpflichtet dies den Auftraggeber geförderter Bauvorhaben, das Vergaberecht einzuhalten.
Eine Vergabe im nichtoffenen anstatt im offenen Verfahren stellt nach Ansicht des OVG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 14.08.2013 - Az. 12 A 1751/12) einen schwerwiegenden Vergaberechtsverstoß dar. Das Gericht entschied, dass die Vergabestelle die zugewendeten Fördermittel vollständig zurückzuzahlen hat.
Nicht entschieden wurde hier, ob und inwieweit eine persönliche Haftung des zuständigen Sachbearbeiters besteht. Dies wird von vielen Stimmen bejaht.
Einen ebenso schweren Vergaberechtsverstoß dürfte es darstellen, wenn Einzelgewerke aus einem Bauvorhaben nur national ausgeschrieben werden, obwohl das gesamte Bauvorhaben über dem Schwellenwert liegt. Es ist dann jedes einzelne Los (Ausnahme: 20%-Regelung) europaweit auszuschreiben.
2. eVergabe
Die neuen EU-Vergaberichtlinien verpflichten die Auftraggeber zur eVergabe. Für die Einführung be-steht längstens eine Übergangsfrist bis Spätsommer/Herbst 2018. Zentrale Beschaffungsstellen dürfen spätestens ab Frühjahr 2017 nur noch eVergaben durchführen.
Es wird daher dringend empfohlen, die mit Vergaben betrauten Sachbearbeiter entsprechend schulen zu lassen.
Um Risiken hinsichtlich der Nachweisbarkeit des Empfanges im E-Mailversand auszuschließen, sollten bei allen mit E-Mail versendeten Dokumenten und Schreiben, Lesebestätigungen vom Empfänger an-gefordert werden. Nach einem Beschluss der Vergabekammer Bund vom 03.02.2014 (VK 2-1/14) trägt der Versender die Beweislast hinsichtlich des Zugangs.
3. Schadenersatz
Hier hat sich in der Rechtsprechung noch keine klare Linie herausgebildet. Bei Bietern, die durch Verstoß gegen das Vergaberecht übergangen wurden, stellt sich grundsätzlich die Frage, ob der Schadensersatz das negative oder das positive Interesse betrifft.
Ein Großteil der bisherigen Urteile geht – jedenfalls im Unterschwellenbereich – vom negativen Interesse aus. Die Vergabestelle schuldet dann lediglich die Kosten, die mit der Angebotserstellung dem Bieter entstanden sind.
Zunehmend aber entscheiden die Gerichte auf die Erstattung des positiven Interesses. Hier beschränken sich die Gerichte zum Teil auf eine Verurteilung zur Zahlung des entgangenen Gewinns. Es gibt aber schon einige Gerichte, die es –richtigerweise – nicht dabei belassen, sondern eine ähnliche Abrechnung zulassen, wie § 649 Satz 2 BGB es vorsieht. Hiernach wäre die gesamte (angebotene) Vergütung anzusetzen und davon lediglich die ersparten Aufwendungen abzuziehen. Dies bedeutet, dass neben dem entgangenen Gewinn (OLG Koblenz vom 06.02.2014 – 1 U 906/13) auch sämtliche Deckungskosten an den klagenden Bieter zu zahlen wären (BGH, NJW 1989, Seite 1669).
4. Rügefrist
Eine noch relativ weit verbreitete Praxis bei den Vergabekammern ist es, Rügen, die eine Woche oder länger nach Erkennen eines Verfahrensfehlers erst angebracht werden, als verspätet zurückzuweisen, mit dem Ergebnis, dass das Nachprüfverfahren keinen Erfolg hat. Diese „Rechtsprechung“ wird zu-nehmend eingeengt und aufgehoben:
a) Das OLG Jena hat am 16.09.2013 (9 Verg 3/13) beschlossen, dass nur solche Vergaberechtsverstöße erkennbar sind, die bei üblicher Sorgfalt und den üblichen Kenntnissen des von der Ausschreibung angesprochenen Verkehrskreises erkannt werden können.
b) Das OLG Düsseldorf hat schon am 19.06.2013 (VII-Verg 4/13) entschieden, dass eine Verkürzung der Rügefrist auf sieben Kalendertage unzulässig und damit unwirksam ist, da dies mit § 7 Abs. 3 GWB nicht vereinbar sei. Gleichzeitig befand das Gericht, dass von einem durchschnittlichen Bieter nicht erwartet werden könne, dass er die vergaberechtliche Rechtsprechung zum Erfordernis der Bildung und Bekanntgabe von Unter-Kriterien und Bewertungsmatrizen kennt.
c) Am weitesten geht hier das OLG Koblenz mit seinem Beschluss vom 16.09.2013 (1 Verg 5/13), mit welchem es feststellt, dass § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB wegen der Unbestimmtheit des Begriffs „unverzüglich“ gegen Unionsrecht verstoße und von daher unangewendet bleiben müsse. Das Gericht bezieht sich hierfür auf eine Entscheidung des EuGH aus 2010 (EuGH v. 28.01.2010 - C-406/08 - VergabeR 2010, 451).
Offen ist, ob nun nach Ansicht des OLG Koblenz überhaupt kein Zeitrahmen mehr besteht, innerhalb dessen eine Rüge ausgesprochen werden muss. Wünschenswert wäre es, wenn der Gesetzgeber hier tätig wird. Der Bundesrat hatte bereits im Sommer 2008 vorgeschlagen, eine Wochenfrist festzulegen.
Ralf Schmitz
Rechtsanwalt Fachanwalt für Vergaberecht
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht