Vergaberecht Rundbrief 1/2015
Ausgabe 1/2015, 9. Dezember 2015
I. Fachanwalt für Vergaberecht, Inhouse-Schulungen
Seit meiner letzten Mitteilung gab es zwar wieder interessante Entscheidungen verschiedener Vergabekammern und OLG-Senate. Im Hinblick darauf, dass im Oberschwellenbereich erhebliche Änderungen eintreten werden, habe ich aber mein Hauptaugenmerk auf diese Veränderungen gelegt.
In diesem Zusammenhang will ich mitteilen, dass ich mich seit Oktober 2015 in der Ausbildung zum „Fachanwalt für Vergaberecht“ befinde. In insgesamt 135 Zeitstunden (inklusive 3 Klausuren à 5 Stunden) will ich mich rechtlich fit machen, um Sie auch zukünftig rechtssicher beraten zu können und durch die Wirren des Vergaberechts zu führen. Die Ausbildung geht bis einschließlich März 2016, so dass ich Sie rechtzeitig vor den neuen Änderungen (18. April 2016) wieder informieren werde.
Außerdem biete ich für Ihre Vergabeabteilungen interne Schulungen an, in welchen ich bei Ihnen Ihre dafür vorgesehenen Mitarbeiter auf die Änderungen einstimmen kann. Bei Interesse kontaktieren Sie mich, damit wir rechtzeitig Termine vereinbaren können. Gerne stehe ich auch für Schulungen im Unterschwellenbereich, der zunächst keine Änderungen erfährt, zur Verfügung.
II. Neuerungen im Oberschwellenbereich
Die EU hat im Februar 2014 mehrere neue Richtlinien verabschiedet, die im März 2014 im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurden und am 17. April 2014 in Kraft getreten sind. Die nationalen Gesetzgeber sind verpflichtet, diese Richtlinien bis zum 18. April 2016 umzusetzen. Dieser Zeitpunkt nähert sich.
In einem ersten Schritt hat die Bundesrepublik Deutschland das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) im 4. Teil neu gefasst, umfangreich ergänzt und als Entwurf auf den Weg durch die politischen Gremien geschickt.
In einem zweiten Schritt wurde die Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung – VgV) ebenfalls umfangreich verändert und als Entwurf auf den Weg gebracht. In dieser Verordnung, welche bislang mit 24 Regelungen auskam, wurde nun – zusätzlich zu einigen anderen Änderungen und Ergänzungen – die komplette VOL/A (EG) sowie die VOF aufgenommen. Lediglich die VOB/A (EG) soll – bis auf weiteres – ihre „Selbständigkeit“ behalten.
Neben der VgV gibt es dann noch – wie bisher – die Sektorenverordnung (SektVO) und die VSVgV (Verteidigung und Sicherheit), die bislang als Abschnitt 3 in der VOB/A (VS) geregelt war. Neu hinzu kommt dann noch die Neu-Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV).
Die ebenfalls zu ändernde VOB/A (EG) wurde vom Gesetz- bzw. Verordnungsgeber noch nicht vorgestellt. Es bleibt abzuwarten, ob diese rechtzeitig fertiggestellt ist. Ansonsten sind die Europäischen Richtlinien als unmittelbar geltendes Recht – auch ohne die Neufassung einer VOB/A (EG) - in der Praxis umzusetzen. Hierüber würde ich Sie rechtzeitig informieren.
Für Sie in der Praxis ist zunächst einmal wichtig, dass diese gesamten Änderungen ausschließlich die Vergaben betreffen, die oberhalb des Schwellenwerts liegen.
Ab dem 1. Januar 2016 beziffern sich diese Schwellenwerte wie folgt:
- Bauaufträge(alle Bereiche): 5.225,000.00 €
- Liefer- und Dienstleistungsaufträge (außerhalb des Sektorenbereichs): 209.000,00 €
- Liefer- und Dienstleistungsaufträgeim Sektorenbereich: 418.000,00 €
- Liefer- und Dienstleistungsaufträgeder obersten und oberen Bundesbehörden: 135.000,00 €
- Konzessionsaufträge: 5.225,000.00 €
Diese Werte gelten unmittelbar (ohne nationale Umsetzung) für alle Vergabeverfahren, die ab dem 1. Januar 2016 durch Versendung der Bekanntmachung eingeleitet werden. Für die bis zum 31. Dezember 2015 bekannt gemachten Vergabeverfahren bleibt es bei den derzeit geltenden Schwellenwerten.
In Ihrem Hauptanwendungsgebiet im Vergaberecht, nämlich unterhalb des Schwellenwertes, verbleibt es bis auf Weiteres bei den bisherigen Regelungen. Es bleibt abzuwarten, ob der nationale Gesetzgeber die Änderungen im Oberschwellenbereich zum Anlass nimmt, auch hier nachzubessern. Hinsichtlich einzelner Bereiche macht dies Sinn. So sieht die neue Richtlinie, die in der neuen VOB/A (EG) umzusetzen ist, vor, dass die Vergabestelle frei ist in der Auswahl zwischen dem Offenen Verfahren und dem Nicht Offenen Verfahren. Beide Verfahren sind – im Europäischen Ausland – bereits seit längerem gleichrangig, was nun auch für Deutschland gelten soll. Eine solche Änderung auch im Unterschwellenbereich wäre der Praxis sicherlich dienlich.
III. e-Vergabe
Die Europäische Richtlinie RL 2014/24/EU sieht vor, dass die gesamte Kommunikation und der gesamte Informationsaustausch, insbesondere die elektronische Einreichung von Angeboten, zukünftig unter Anwendung elektronischer Kommunikationsmittel erfolgen. In § 97 Abs. 5 GWB-E ist vorgesehen, dass für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren die Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel verwenden. Inhaltlich gleich ist dies auch in § 9 VgV-E geregelt.
Dies gilt nur für Vergaben oberhalb der EU-Schwellenwerte!
Einführen müssen Sie die e-Vergabe also für alle Vergabeverfahren oberhalb der Schwellenwerte. Dies gilt für die Bekanntmachung von Vergabeverfahren bereits ab dem 18. April 2016 sowohl für Zentrale Beschaffungsstellen als auch übrige Vergabestellen. Außerdem für die Bereitstellung der Vergabeunterlagen.
Für die weitere Kommunikation (Antworten auf Bieterfragen, Nachfordern von Nachweisen, Ergänzende Informationen, Nachreichen von Nachweisen ....) ist die Einführung der e-Vergabe Pflicht für Zentrale Beschaffungsstellen ab 18. April 2017 und für alle übrigen Vergabestellen ab dem 18. Oktober 2018.
Natürlich können Sie auch bereits zu einem früheren Zeitpunkt die e-Vergabe einführen. Ausnahmen von der e-Vergabe sind im Einzelfall zu prüfen. Auch im Unterschwellenbereich dürfen Sie die e-Vergabe – jedenfalls neben der Papierform – anwenden.
Ich bin in Kontakt mit den Leitern einer Zentralen Vergabestelle (in Hessen), die die e-Vergabe bereits vor mehr als 3 Jahren im Bereich Darmstadt begonnen und auf weite Bereiche von Hessen mittlerweile ausgedehnt haben. Hier soll ein „Team“ zusammengestellt werden, mit dem ich plane, eintägige Fortbildungsveranstaltungen (inhouse) durchzuführen, die sowohl die Technik als auch das Rechtliche umfassen.
Ralf Schmitz
Rechtsanwalt Fachanwalt für Vergaberecht
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht